Die Lebensader des Dorfes – Der Mühlbach

Der Mühlenkanal in Nußdorf

Der Mühlenkanal in Nußdorf

In der Architektur spricht man von Haufendörfern und Straßendörfern. Nußdorf dagegen könnte man als Bächedorf bezeichnen. Seine Ortsstruktur ist geprägt vom Steinbach und vom Mühlbach. Der „Ortskern“ entwickelt sich entlang des Mühl­bachs. Und das liegt wohl an den Möglichkeiten, die dieses Wasser bot!

Der Mühlbach ist künstlich angelegt. Das Wasser wird am Ausgang des Mühltales vom Steinbach abgeleitet und diesem wieder zugeleitet, bevor es in den Inn fließt. Kluge Leute haben den Kanal bereits vor 1445 angelegt. Er wurde zu einer Erwerbs­quelle für viele Familien und Generationen im Dorf.

Nußdorf und seine Mühlen

Ölschlagmühle / Obermühle

Ölschlagmühle / Obermühle

Über ein Wasserrad bewegte der Mühlbach zum Beispiel die schweren Mahlsteine der Getreidemühle. Drei Mühlen konnten 400 Jahre lang nebeneinander bestehen: Obermühle, Untermühle und Mühle in Mühlthal, die einen eigenen Kanal besaß. 1972 legte die letzte der drei Mühlen den Betrieb still. Sie ist heute noch vollständig eingerichtet und bereit, Getreide zu mahlen.

ein Gipsstein

ein Gipsstein

Die Gipsherstellung in der Blütezeit

Neben der Holzverarbeitung hatte auch die Gipsherstellung eine Blütezeit im Nuß­dorf des 19. Jahrhunderts. 1803 baute Andreas Lagler aus der Gritschen den ersten Gipsstampf gegenüber der Sagmeistersäge. Damit stellte er die Gipsproduktion auf eigene Füße. Bisher brachten die Steinesammler und -brecher die gebrannten Steine zu den drei Getreidemüllern mit Ölstampf. Dort wurden die Steine zerkleinert und gemahlen. Drei weitere Gipsmühlen siedelten sich an. Den Rohstoff fanden sie am Heuberg und im Steinbach. Das Endprodukt wurde in Holzfässern auf dem Inn ver­schifft. Nußdorfer Gips war bei Stukkateuren und Baumeistern sehr beliebt.

Die Hammerschmiede beim Steinschmied

Die Hammerschmiede beim Steinschmied

Die Handwerkstradition der Schmieden in Nußdorf

Das Handwerkszeug für diese Betriebe und ihre Zulieferer kam ebenfalls aus heimi­scher Produktion. Vier Schmiedewerkstätten gab es in Nußdorf. Zwei davon nutzten den Mühlbach zum Betrieb des Hammerwerks, des Schleifsteins und des Blasebalgs.

Die Huf- und Wagenschmiede „Neuschmid“ versorgte Zugtiere mit Hufeisen und fertigte Eisenteile für Holzräder, Fuhrwerke und Schlitten. Die Hammerschmiede „Steinschmid“ stellte hauptsächlich Werkzeug für die Land- und Forstwirtschaft her.

Vom Handwerk der Lederer und Dreschtennen

Wandmalerei am Lederer Haus

Historische Wandmalerei am Lederer Haus

Fast 500 Jahre lang übte der Lederer sein Handwerk am Mühlbach aus. Er ist bereits 1445 urkundlich erwähnt. Ein Wasserrad war zuständig für die Lohmühle und ver­schiedene landwirtschaftliche Geräte, wie Gsotmaschine, Butterfaß und Schleifstein.

Auch das Getreide wurde per Wasserkraft gedroschen. 1838 errichtete der Lupichler eine Dreschtenne mit Stampfen, ein einzigartiges Beispiel der Mühlenbaukunst.

Elektrizitätswerk Adamer in Nußdorf

Elektrizitätswerk Adamer in Nußdorf – seit 1895

Nußdorf 1895

Ein äußerst modernes Produkt verkaufte der Sägewerksbesitzer Adamer ab 1895. Er erstellte das erste Elektrizitätsnetz in Nußdorf. Damit war Nußdorf der allgemeinen Stromversorgung auf dem Land, die sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhun­derts entwickelte, einen Schritt voraus.

Nußdorf und der Mühlbach

Spaziergang am Mühlenkanal

Spaziergang am Mühlenkanal

Der Mühlbach brachte auch Zusammengehörigkeit im Dorf. Verschiedene Men­schen nutzten ein und dieselbe Quelle zu ihrem Lebensunterhalt. Gemeinsam waren sie verantwortlich dafür, daß die Quelle nicht versiegte. Als um 1800 die Anzahl der Wasserräder stieg, machte man sich daran, die Unterhaltungsregelung für den Trieb­werkskanal schriftlich zu vereinbaren. Ein jeder sollte je nach Größe seines Betriebes auch Anteile des Kanales unterhalten. 1870 war ein neuer Vertrag notwendig gewor­den. Die Nutzung des Mühlbachs hatte seinen Höhepunkt erreicht. 15 Betriebe hatten sich angesiedelt. Sie bildeten eine Mühlbach-Genossenschaft.

Der Mühlbach ist ein nicht wegzudenkendes Element der Gemeinde. Sein frisches Gebirgswasser bringt Leben ins Dorf! Die Bebauung zu beiden Seiten des Mühlbachs ist als Ensemble in die Denkmalliste eingetragen. Es besitzt neben seinen großen malerischen Werten vor allem technik- und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung.

Der Mühlenweg

Die Gemeinde Nußdorf hat einen Geschichtspfad angelegt. Entlang des Mühlbachs kann nun der Interessierte Geschichte und Bedeutung des Triebwerkskanals erwandern. Führungen entlang des Mühlenwegs finden Sie auf dieser Internetseite unter den Veranstaltungen.